Programminhalte
Die Inhalte der neun Sitzungen wurden teils basierend auf aktueller sozialpsychologischer Forschung, teils in unserem Projektteam selbst entwickelt. Bereits erprobte Interventionen wurden für die besondere Zielgruppe adaptiert und beispielsweise so angepasst, dass sie auch für Kinder und Jugendliche nutzbar sind, die noch geringere Sprachkompetenzen besitzen oder noch nicht alphabetisiert sind.
Die Interventionssitzungen setzen auf mehreren Ebenen an, nämlich der des individuellen Kindes und des Jugendlichen, der Beziehung zu Gleichaltrigen, auf Ebene des größeren Schulkontextes und der Aufnahmekultur.
Sitzung 2 – Was mir wichtig ist
Was ist mir eigentlich so richtig wichtig? In der zweiten Sitzung werden Werte besprochen, die jedem Schüler und jeder Schülerin besonders wichtig sind. Diesem Ansatz liegen Arbeiten US-amerikanischer Forschungsteams zugrunde (Sherman et al., 2013). Man konnte zeigen, dass insbesondere Schüler*innen und Studierende, die Minderheiten angehören, ihr Potential in schulischen und universitären Kontexten besser entfalten können, und motivierter und engagierter sind, wenn Werte, die ihnen viel bedeuten, von anderen zur Kenntnis genommen werden.
Um diese Sitzung möglichst ohne Sprachbarrieren zu gestalten, werden die Schüler*innen gebeten, einen Gegenstand, ein Foto oder ein Lied mitzubringen, der oder das ihnen besonders wichtig ist. Anschließend werden diese Gegenstände in einem Basar den anderen Schüler*innen in der Gruppe vorgestellt. Die Schüler*innen erfahren hier fast beiläufig etwas über Gemeinsamkeiten und Besonderheiten aller Teilnehmenden.
Sitzung 3 – Ankommen
Aller Anfang ist schwer. Jeder Mensch weiß, wie schwierig es sein kann, sich in neuen und unvertrauten Situationen zurechtzufinden. Aber oft ist es nicht leicht, darüber zu sprechen. Viel zu häufig denkt man, dass man mit diesem Problem allein ist. Wird dies noch erschwert durch sprachliche Herausforderungen oder das Gefühl des Andersseins kann dies dazu führen, dass Menschen unsicher darüber werden, ob sie „dazugehören“. Diese Unsicherheit kann bewirken, dass sich Potentiale nicht entfalten und Gelegenheiten zum Austausch mit Anderen nicht genutzt werden, was das Gefühl des Fremd- und Anderseins weiter verstärkt.
Darüber nachzudenken und zu sprechen, wie man Schwierigkeiten in neuen Situationen überwinden kann, ist das Thema dieser Sitzung.
Die Schüler*innen hören Erfahrungsgeschichten älterer Jugendlicher, die entweder selbst einen Flucht- oder Zuwanderungshintergrund haben oder – innerhalb Deutschlands – an eine neue Schule gekommen oder an einen neuen Ort umgezogen sind. Sie berichten, was ihnen half, anfängliche Schwierigkeiten zu überwinden. Im Anschluss werden die Tandemkinder selbst zu Expert*innen, indem sie für neu ankommende Kinder und Jugendliche selbst Tipps und Tricks aufnehmen, die diesen helfen sollen, mit Herausforderungen bei Neuanfängen zurechtzukommen. Die Schüler*innen erfahren, dass sie mit ihren Zweifeln nicht allein sind und mobilisieren gleichzeitig eigene Ressourcen und Strategien zur Überwindung ebendieser negativen Gefühle und Gedanken.
Sitzung 4 – Gemeinsam verschieden
Gleich und gleich gesellt sich gern. Oder? Und was ist eigentlich Freundschaft? In dieser Sitzung sprechen die Schüler*innen darüber, was Freundschaften ausmacht. Sie denken darüber nach, warum Freundschaften oft zwischen Kindern und Jugendlichen entstehen, die einander ähnlich sind und warum manche Menschen besonders gern mit vielen unterschiedlichen Menschen befreundet sind. Sie sprechen auch darüber, dass gerade unterschiedliche Stärken in Freundschaften helfen können, gemeinsam große Herausforderungen zu bewältigen. Dafür sammeln und dokumentieren sie die jeweiligen Superkräfte aller Tandemkinder in der Gruppe.
Sitzung 5 – Ich mach‘ mich stark
Heute bin ich ein* Superheld*in. Was passiert eigentlich, wenn ich mich ganz gerade aufrichte, den Rücken gerade mache, mich strecke und mir den Platz nehme, den ich brauche? Durch Ausprobieren verschiedener körperlicher „Power-Posen“ erleben die Kinder gemeinsam, wie sich körperliches Auftreten und aufrechte oder gebeugte Haltungen darauf auswirken können, was wir uns selbst zutrauen und wie wir auf andere wirken. Die Wirkung der verschiedenen Körperhaltungen wird allein, gemeinsam und im Tandem ausprobiert. Dabei wird vor allem viel gelacht.
Sitzung 6 – Ich versteh‘ dich
Wie geht es dir? Und wie kann ich dir helfen? Oft ist es nicht leicht, eigene Gefühle zum Ausdruck zu bringen. In Anlehnung an Trainingseinheiten des sozio-emotionalen Lernprogramms „Slowly but Steadily“ (Raimundo et al., 2012) erarbeiten die Schüler*innen gemeinsam, an welchen Merkmalen man Emotionen anderer – auch ohne Worte – erkennen kann. Anschließend sprechen die Schüler*innen darüber, was ihnen am meisten hilft, wenn sie wütend oder traurig sind. Diese Tipps werden für zukünftige Situationen in den WIRwerden-Koffer gelegt.
Sitzung 7 – Was ist schon normal? Veränderung!
Was wäre, wenn ich mich einfach eines Tages in ein Flugzeug setze und allein um die Welt fliege? In dieser Sitzung erfahren die Schüler*innen zunächst die wahre Geschichte von Elli Beinhorn, der ersten weiblichen Pilotin, die die Welt umflog.
Sie sprechen darüber, dass es oft Menschen mit großen Träumen und großem Mut sind, die die Grenzen dessen, was in Gesellschaften als normal gilt, verschieben. Dabei ist es oft so, dass Schüler*innen, die untypische Hobbies und Ziele haben, von anderen Schüler*innen Ablehnung erfahren. Die Schüler*innen sprechen selbst darüber, ob sie sich Kinder und Familie, einen guten Beruf, oder beides wünschen.
Sitzung 8 – Wo geh’n wir hin?
Wo will ich eigentlich hin? In dieser Sitzung denken die Schüler*innen über ihre eigenen Zukunftsvorstellungen nach. Haben sie schon einen Traumberuf? Wenn ja, welche Hindernisse könnten ihnen auf dem Weg zu diesem Ziel begegnen? In dieser Kurzadaption des Programms von Oyserman (2015) geht es vor allem darum, gemeinsam mit den anderen Schüler*innen der Gruppe Wege zu finden, wie diese Barrieren überwunden werden können.
Sitzung 9 – Was war und wie es weitergeht
Nun ist es Zeit Abschied zu nehmen, aber eigentlich ja nicht – denn alle Teilnehmenden werden sich weiterhin in der Schule sehen. Gemeinsam mit den Coaches erinnern sich die Schüler*innen daran, was in der AG besprochen wurde, was ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist, und welche Inhalte sie besonders beschäftigt haben. Jeder Schüler und jede Schülerin schreibt einem anderen Schüler oder einer anderen Schülerin eine kleine Notiz dazu, was es an ihm oder ihr besonders mag und ein kleines Fest wird gefeiert.
Wiederkehrende Elemente
WIRwerden-Koffer
Die während der Sitzungen entstehenden Materialien und Fotos werden in einer Art Begleitmappe, dem WIRwerden-Koffer, gesammelt. Gelerntes und Erlebtes wird somit bildlich und schriftlich von den Schüler*innen festgehalten.
Neues Wort
Fotos (optional)
In jeder Sitzung wird ein zu deren Inhalt passender Begriff (bzw. eine Wortgruppe oder ein Satz) auf ein Klebeetikett geschrieben (Beispiel: Sitzung 4: „Freundschaft“). Der Begriff wird zunächst auf Deutsch vorgelesen und wird im Anschluss von den Schüler*innen selbst in die verschiedenen Erstsprachen übersetzt.
Jeweils am Ende der Sitzungen werden Fotos von den Schüler*innen gemacht, und zwar sowohl von den Tandempaaren als auch von der ganzen Gruppe. Auch dies soll das Erlebte bei den Schüler*innen durch eine Erinnerung daran stärken.